Schweden – auf in den Norden!

Im Oktober hat es mich zum ersten Mal ein eine nördliches Land verschlagen. Und ich muss zugeben: wider Erwarten hat es mich begeistert. Ich bin doch eher der südliche Typ, aber das was ich gesehen habe, hat mich neugierig gemacht. In ein paar Tagen habe ich die Städte Malmö ganz im Süden, Helsingborg und Göteborg entlang der Westküste Richtung Norden kennen gelernt. 

Malmö
Helsingborg
Göteborg

Aber der Reihe nach. Es war gar nicht so einfach in Schweden Kontakt zu einer Schule aufzunehmen. Von insgesamt 13 kontaktierten Schulen, hat mir nicht mal eine Einzige geantwortet. Das frustriert und verwundert natürlich, wo man doch immer hört, die Schweden wären ein sehr freundliches und höfliches Volk. Also bin ich aus der Not heraus einfach vor Ort frohen Mutes losgezogen.

Auf dem Weg zur schwedischen Schule

Und tatsächlich. Direkt die erste Schule, die ich angesteuert hatte, war ein Erfolg.

Malmö Borgarskola

Nachdem ich dem Empfangsherrn Chris (Informatiosassistent) kurz erklärt hatte, wer ich bin und was ich hier möchte, hat er wie selbstverständlich ein bisschen für mich telefoniert und schon kurze Zeit später stand ich im Fachbereich Deutsch mitten in der Schule, mitten im Schulbetrieb.

Die Malmö Borgarskola ist ein Gymnasium, also eine Oberstufenschule. Mit über 1.000 Schülern ein großes Gymnasium. In Schweden geht man so zur Schule: von der 1. bis zur 9. Klasse ist es die Grundschule, auf die alle Schüler gehen. Eine frühe Aufteilung der Schüler auf verschiedene Schulen gibt es nicht. Danach wechseln fast alle auf ein Gymnasium, was die Klasse 10 bis 12 umfasst. Dort werden berufliche und theoretische Bildung miteinander verbunden. Es gibt praktisch orientierte Zweige und solche, die auf ein Studium vorbereiten. An der Borgarskola kann man zwischen Wirtschaft, Handel und Administration, Hotel und Tourismus, Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften wählen. Außerdem gibt es einen Zweig, den man mit dem IB (International Baccalaureate) abschließen kann, der Unterricht bilingual auf Schwedisch und Englisch ist und das alles ohne Schulgebühren. Überhaupt habe ich Schweden als bilingual empfunden. Überall, egal ob an der Bushaltestelle oder in der Schule, also eben nicht vom Tourismus abhängig, sprechen die Menschen jeden Alters fließend Englisch. Austauschschüler gibt es an der Borgarskola keine. Aber ab und zu schwedische Schüler, die sich für einen High School Aufenthalt in den USA interessieren. Es gibt eine Partnerschule in Berlin und mit dieser findet jedes Jahr ein einwöchiger Schüleraustausch statt. Ich freue mich natürlich, dass es zufällig Deutschland ist 🙂  Ich unterhalte mich mit einem Assistenten im Fachbereich Deutsch, er ist selber noch Student auf Lehramt, unterrichtet eben aber auch mit. Er erzählt mir,  dass der Abstand zwischen Lehrern und Schülern gering ist, die Lehrer werden geduzt. Der Schulalltag beginnt um 8 Uhr und endet gegen 15 Uhr, das Mittagessen in der Kantine ist gratis für die Schüler. Das Schuljahr ist in zwei Semester aufgeteilt, von Ende August bis Januar und von Januar bis Anfang Juni. Die Sommerferien sind lang in Schweden.  Zurzeit ist die Schule die reinste Baustelle, es tut sich einiges: eine neue, moderne Sporthalle, ein aufwendig umgebauter Schulhof, moderne Laboratorien und ein frisches Schulrestaurant. Alles soll schon 2019 fertig sein. Über die neue Sporthalle wird sich vor allem auch die Rugbymannschaft der Schule freuen, deren Maskottchen der Bär ist.

Die Rugbymannschaft der Schule. Quelle: Malmö Borgarskola
Die Trophäen der Schule

Gefallen hat mir auch „Der Tag, der weißen Mützen“. Bei der Schulabschlussfeier tragen alle Schüler eine weiße Matrosenmütze, die zusammen in die Luft geworfen wird. Dieser Brauch geht bis ins 19. Jahrhundert zurück.

Auch wenn ich zuerst etwas enttäuscht war, dass ich keine schriftliche Antwort von den Schweden bekommen habe, hat mich die Spontanität, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft in der Borgarskola am Ende beeindruckt. Vielen Dank an Chris, der überhaupt nicht verwundert gefragt hat, wieso weshalb warum ich nun hier die Schule anschauen möchte, sondern wie selbstverständlich mich liebenswürdig herumgeführt hat.

Nach meinem Schulbesuch in Malmö habe ich eine ehemalige Austauschschülerin kennengelernt. Sabrina ist im Schuljahr 2014/2015 in Schweden zur Schule gegangen, ca. eine Stunde von Stockholm entfernt in einer Kleinstadt mit 12.000 Einwohnern. Die Stadt war gut mit Bus und Bahn verbunden, zur Schule ist sie jedoch mit dem Fahrrad gefahren. Der Unterricht hat zwischen 8.30 und 9.15 begonnen und zwischen 14.30 und 16.30 geendet.

Tanzaufführung in der Schule. Quelle: Sabrina
Beim Schulsport. Quelle: Sabrina

Danach ist sie nach Hause gefahren, Hobbies werden privat organisiert in der Nähe des Wohnorts, nicht an der Schule. Sabrina hat Tennis und Hockey gespielt. Und dann spricht man eben plötzlich Schwedisch, wenn man mit schwedischen Jugendlichen in einer Mannschaft spielt. Außerdem hat sie all das gemacht, was ihre Gastfamilie eben so getan hat, und das spielt sich in Schweden hauptsächlich draußen ab wie Waldlauf oder Langlaufski. Familienzeit wird großgeschrieben, beim Abendessen sitzen alle gemeinsam am Tisch und unterhalten sich, was so passiert ist am Tag. Es werden gemeinsam Pläne gemacht für Unternehmungen am Wochenende. Die Gastoma war auch immer dabei, sogar im Skiurlaub.

Midsommar Familienfest in Schweden. Quelle: Sabrina
Was die schwedischen Jugendlichen eben so machen. Quelle: Sabrina

Dankbarkeit ist ein großes Thema. Es wurde zum Beispiel erwartet, dass man nach dem Essen sich dafür bedankt bei den Eltern.

Sovmorgon – schedisches Weihnachtsgebäck. Quelle: Sabrina

Mittagessen gab es an der Schule. Es wurde frisch gekocht und war sehr lecker und gesund. Dies gab es in Buffetform und es war immer ein vegetarisches Gericht und zwei Fleisch- oder Fischgerichte im Angebot sowie eine große Auswahl an Gemüse. Apropos gesund: in schwedischen Cafés und Restaurants steht kein Zucker auf dem Tisch. Beim ersten Mal dachte ich, es fehlt einfach, aber irgendwann habe ich bemerkt, dass das gewollt ist. Als ich dann nach Zucker gefragt habe, wurde ich auch mit komischen Blicken gestraft, also Zucker scheint ganz schön verpönt zu sein. Sabrina hat sich ihre Fächer selbst auswählen können und hat Mathe, Biologie, Englisch, Schwedisch, Politik-Erdkunde-Geschichte in einem Fach und Sport belegt. In Biologie hat der Lehrer in der ersten Stunde alle Schüler gefragt, ob es in Ordnung wäre, auf Englisch zu unterrichten, weil Sabrina noch gar kein Schwedisch konnte. Und ja, alle waren einverstanden. Lustige Vorstellung, dass ein Lehrer das einfach so macht und alle mitziehen. Was für ein Gemeinschaftsgefühl! Sabrina war die einzige Austauschschülerin an der Schule. Sie hat mir auch erzählt, dass die Lehrer geduzt werden und sich ein freundschaftliches Schüler-Lehrer-Verhältnis besteht. Überhaupt war es so, dass man bei Problemen mehr Hilfe bekam und unter den Schülern einen engen Zusammenhalt gab, auch Außenseiter immer herzlich aufgenommen wurden.

Abschlusstag mit dem Fest der weißen Mützen. Quelle: Sabrina

Natürlich hat mich auch brennend interessiert, wie es so für eine Jugendliche ist in ein Land zu kommen, wo man die Sprache nicht spricht. Zunächst hat sich jeder wie selbstverständlich auf Englisch mit ihr unterhalten, auch die gesamte Gastfamilie. Im August hat Sabrina angefangen Schwedisch zu lernen, Ende Oktober hat sie schon das meiste verstanden. An einem Tag Mitte November kam dann ihre Gastmutter zu ihr und hat beschlossen, dass ab sofort wieder Schwedisch zuhause gesprochen wird. Und, was ein Wunder, Sabrina kam wunderbar damit zurecht. Ich bin beeindruckt.

Und weil mir meine Schwedenreise so gut gefallen hat, hier noch ein paar Fotos:

Park in Malmö
Noch eine Schule in Malmö
Malmöhus – die Burganlage in Malmö
Das Rathaus von Malmö
Helsingborg am Wasser
Sonntags in Göteborg
So lebt man in einer Vorstadt von Göteborg
Mit dem öffentlichen Nahverkehr auf die Inseln
Schwedische Idylle
Göteborgs südliche Schären: die autofreien Inseln Brännö, Styrsö, Donsö

Inselparadies auf Vancouver Island

Was ich schon auf der ganzen Kanadareise bemerkt habe, wurde mir von einer Austauschschülerin bestätigt: der Tag endet hier früh. Ihre Gastfamilie isst zwischen 17 und 19 Uhr zu Abend und das war es dann auch. Viele Restaurants schließen hier sogar schon um 21 Uhr.

Mit der Fähre nach Vancouver Island.
Auf dem Weg nach Vancouver Island. 

Der Besuch der Frances Kelsey Secondary School war für mich ganz besonders. Zuerst hat mich Kevin, District Vice Principal, empfangen und mir die Schule gezeigt sowie die Besonderheit dieser Schule erklärt : das self paced learning, was bedeutet, dass die Schüler ihr Lerntempo selbst bestimmen. Die Kurse sind in Learning Guides unterteilt, die die Schüler alleine und in Kleingruppen unter Anleitung und Hilfe der Lehrer bewältigen.

Danach durfte ich in der Lunchbreak zwei deutsche Schülerinnen, Emely und Johanna, treffen, die nun seit zwei Wochen auf diese Schule gehen und Deutschland für eine Zeit lang goodbye gesagt haben. Bewundernswert, wie die beiden sich nach nur zwei Wochen hier schon integriert haben.

Die Frances Kelsey Secondary gehört zum Cowichan School District auf Vancouver Island. Bei Vancouver Island denkt man immer erstmal an eine kleine Insel, die Vancouver vorgelagert ist. Das ist auch so, nur das mit dem klein kommt nicht so ganz hin. Die Insel ist 450 Kilometer lang und 100 Kilometer breit. Der Cowichan School District liegt im Süden der Insel, ca. 30 Minuten von Victoria entfernt, der Hauptstadt von British Columbia.

Das British Columbia Parliament in Victoria. 

Überhaupt habe ich das Gefühl, dass sich die britische Kolonialvergangenheit auf Vancouver Island mehr zeigt als auf dem Festland.

Die Queen in der Schule – jedes Jahr wird aus England ein neues Foto an die Schule geschickt.

Die Schule hat 950 Schüler, davon kommen 60 Schüler aus aller Welt (vor allem aus Mexiko, Frankreich, Dänemark, Brasilien, Taiwan, Norwegen, Ungarn, Türkei, Spanien, Korea, Hong Kong, Schweiz, Finnland, Thailand, China, Japan) und in diesem Schuljahr 6 aus Deutschland.

Das Sekretariat am Eingang der Schule – auch hier wird die Internationalität stolz präsentiert.

Die Schule hat wie oben schon erwähnt ein besonderes Unterrichtskonzept: es wird sehr viel Wert auf selbständiges Lernen gelegt. An einem Tag gibt es normalen Unterricht sozusagen, am nächsten Tag sogenannte Study Blocks, bei denen Schüler im Team zusammenarbeiten, wiederholen, was sie nicht verstanden haben, praktische Versuche machen, etc. Es gibt einen offenen Chemie-Physik-Biologie Raum.  Für jedes Schuljahr sind verschieden Versuche im Lehrplan vorgesehen. Wann der Schüler welchen Versuch macht und alles was dazu gehört, entscheidet er selbst. Dazu arbeiten die Schüler in Kleingruppen und melden am Vortag den Versuch im Sekretariat an.

Das Science Labor für Biology, Chemistry, Physics, Science for Citizens und Environmental Science
Hier wird Computer Programming and Computer Studies unterrichtet.

Ich habe außerdem eine sehr nette Kunstlehrerin getroffen. Auch sie hat mir erzählt, dass sie beispielsweise lediglich das Thema Wasserfarben vorgibt, wie der Schüler das dann umsetzt, was er darauf machen möchte, etc. bleibt dem Schüler überlassen. Sie meinte, jeder wäre hier, weil er hier sein möchte – das ist doch die beste Voraussetzung für kreatives Arbeiten. Außerdem verschönern die Kunstklassen regelmäßig das Schulgebäude und sehen so ihren Erfolg.

Schüler beim selbständigen Arbeiten in der Arts Klasse.
Werke der Schüler, die an der Schule ausgestellt sind.
Werke der Schüler, die an der Schule ausgestellt sind.

Sport wird in Blöcken unterrichtet. Ein Block geht sechs Wochen, dann wird wieder neu gewählt. Es gibt zum Beispiel Fitness and Conditioning: man trainiert im schuleigenen Fitnessstudio, hat aber auch regelmäßig Unterricht, in dem man lernt wie man einen aktiven und gesunden Lebensstil lebt.

Im nächsten Raum findet gerade eine Yoga Klasse statt. Das Maskottchen der Schule sind die „Breakers“.

Die Sportanlagen der Schule sind wirklich der Wahnsinn. Hier wird Badminton, Basketball, Feldhockey, Rugby, Fußball, Tennis, Volleyball und Eishockey im Team gespielt.

Besonders ist mir auch das Streams and Trails Program aufgefallen, welches Geowisschenschaft, Erdkunde und Kommunikation miteinander vereinbart. Die Schüler lernen im Klassenzimmer und gehen anschließend raus auf den Berg, wo sie neue Wege und Routen planen. Diese wurden beim zuständigen Amt eingereicht und tatsächlich von den Schülern unter Anleitung gebaut. Auch hier wird hands on learning wieder groß geschrieben und die Schüler dürfen etwas Sinnvolles schaffen. Am Ende  sieht man ein Ergebnis.

Ich habe hier in Kanada gelernt, dass die Schulen doch sehr unterschiedlich unterrichten. Kevin hat es so ausgedrückt: „The curricular outcomes must be the same, but the journey can be decided by the school“.

Am besten haben mir natürlich die Geschichten unserer Neu-Kanadierinnen gefallen. Ich habe gehört, dass der Weg von der Bushaltestelle noch 25 Minuten zu Fuß nach Hause wäre – ja, Kanada ist wirklich riesig – aber der Busfahrer fährt extra einen Umweg.  Das bestätigt wieder meinen Eindruck von extrem freundlichen und zuvorkommenden Kanadiern. In der ersten Schule, die ich besucht habe, war ich noch völlig überrascht und hingerissen, was man hier in einer Schule zu sehen bekommt: professionelle Gastroküchen, vollständig ausgestattete Labore, gut sortierte Bibliotheken, fantastische Sportanlagen, Klassenräume mit topaktueller Technik. Nach der dritten Schule kann ich sagen: das scheint hier Standard zu sein.

Und auch das Schüler-Lehrer-Verhältnis ist oft freundschaftlich. Eine Schülerin war überrascht, dass ihr Englischlehrer so viel Privates von sich preis gibt, den Schülern von seinem Leben erzählt. Sie hat das Gefühl, viel von ihm als Person lernen zu können, nicht nur von seinem Unterricht. Oder vielleicht gerade so viel von seinem Unterricht, weil er sich darin als Person einbringt und nahbar ist. Mein Fazit: Vancouver Island steht seiner großen Schwester dem Festland in nichts nach. Im Supermarkt riecht es nach frischem Obst, auch hier werden Bio und heimische Produkte wieder groß geschrieben.

Die Menschen leben hier mit und in der Natur und man geht bei jedem Wetter raus. Die Insel ist extrem abwechslungsreich. Es gibt das Meer, Seen, Berge, Tiere. Man hat wieder das Gefühl, einfach alles.

Und in 1,5 Stunden ist man mit der Fähre in der Metropole Vancouver. Dort hat es mich dann am Samstagabend ins Football Stadion verschlagen, wie übrigens viele kanadische Familien. Ein absolutes Familienevent, ein bisschen wie „Wetten, dass…Schauen“ in meiner Kindheit:-) Da gab es Babys in Tragetaschen und Omas in voller Fanmontur. Auf jeden Fall vereint es die ganze Familie. Die Stimmung im Stadion war der Wahnsinn. Ein ganz besonderes Amerikaerlebnis! Das ist übrigens auch das, was ich auf Reisen gerne mache: lieber einen Tourispot weniger abklappern und dafür die Zeit authentisch verbringen, wie es die Einheimischen eben auch tun.